151. Etappe

Von Kopanaki nach Mavromati

Kleine Robertsche Abschweifung 23

 

Fix-Bier und weitaus Schlimmeres

Ich sitze in einer Taverne, vor mir eine Pulle Fix-Bier. Das ist die älteste Biermarke in Hellas und erfunden haben die Griechen das nicht. Da musste erst der fischelante bayrische Braumeister Johann Karl Fix in Krachledernen auftauchen um dem Südbalkan biermäßig auf die Sprünge zu helfen. Das erfahre ich beim Blättern im 30-bändigen Brockhaus, der natürlich zu unserem Reisegepäck gehört.

Dabei stolpere ich über den Begriff „Junta“.

Junta bedeutet nichts anderes als Militärdiktatur. Und vor allem die chilenische Junta hat sich tief in unser Gedächtnis eingegraben. Aber was ist mit der Griechischen Junta? Gehört sie zu den vergessenen Diktaturen Europas? Das schwarze Schaf in der Wiege der Demokratie?

Im Jahr 1967 standen in Griechenland Parlamentswahlen vor der Tür und es „drohte“ der Wahlsieg eines linksliberalen Bündnisses. Da war Großalarm angesagt. Die höchsten Militärs zogen die Machtübernahme in Erwägung, der König bekam es mit der Angst zu tun und die CIA, die längst den griechischen Geheimdienst unterwandert hatte, verfolgte ihre eigenen düsteren Pläne. Für alle aber unerwartet putschte eine Gruppe Offiziere im Rang von Obersten, genannt die „Obristen“ (Obrist – Oberst).

Sie verhängten das Kriegsrecht, setzen entscheidende Verfassungsartikel außer Kraft, ließen Panzer durch Athen rollen, zogen wankelmütige Generäle auf ihre Seite und nötigten den jungen König, ihre Troika, bestehend aus Oberst Papadopoulos, Generalleutnant Pattakos und General Zoitakis, als rechtmäßige Regierung anzuerkennen. Dieser stimmte zähneknirschend zu und fertig war die neue Diktatur.

Jede Putschregierung, die etwas auf sich hält, hat längst ausgearbeitete Listen von vermeintlichen und tatsächlichen Gegnern im Panzerschrank liegen. Diese Menschen werden nach Bekanntgabe des Umsturzes so schnell wie möglich verhaftet und interniert. Solche Listen führen – wie jeder weiß – auch unsere einheimischen Rechtsradikalen. Aber das nur nebenbei.

Auf Befehl der Junta (sprich: Chunta) rollte eine Verhaftungswelle nach der anderen. Ca. 8000 Menschen wurden allein in der ersten Woche in Sportstadien, Gefängnissen und auf unwirtlichen Inseln zusammen gepfercht. Dabei kamen viele ums Leben. Das Schlimmere: Es wurde systematisch gefoltert! Jeder, der nicht streng konservativ war, galt als Kommunist und wurde verfolgt.

Anfänglicher Widerstand brach schnell zusammen. Die Propaganda hämmerte. Presse- und Rundfunkzensur, Verbote von Parteien und Gewerkschaften ließen das Land erstarren. Nur im Kleinen begehrte die Bevölkerung auf. Witze wurden gerissen, Graffiti gesprüht, hin und wieder Flugblätter verteilt. Als der Verteidigungsminister in die Bierfamilie „Fix“ einheiratete, schwenkte die Mehrheit der Biertrinker auf andere Marken um. „Junta-Bier“ wollten die wenigsten noch trinken. Die Firma ging dann auch bald pleite, die Namensrechte wurden verscherbelt.

Das neue Regime profitierte von der damals guten Weltkonjunktur, die Preise im Land blieben stabil und die „Normalbevölkerung“ bekam vom täglichen Terror nicht viel mit. Anerkannt wurde diese faschistische Diktatur zuerst von der Türkei, kurz darauf von den USA und Großbritannien.

Nach Bekanntwerden der Gräueltaten stellten die skandinavischen Länder und die Niederlande Anträge auf Rausschmiss Griechenlands aus dem Europarat. Griechenland kam dem mit dem eigenen Austritt zuvor. Ähnliches verlief mit Anträgen auf Entfernung aus der NATO. Da blockierten die USA, wieder die Briten und die BRD. Die NATO entpuppte sich als reines Militärbündnis. Es galt das Motto: Lieber eine faschistische Junta als das Gespenst Kommunismus welches in der Welt umging. Kalter Krieg eben.

Die Obristen saßen fest im Sattel, auch ein kläglich gescheiterter Gegenputsch des zur Marionette verkommenen Königs konnte daran nichts ändern.

Starkes Aufbegehren kam erst in den 70er Jahren. Der Junta-Terror gegen die eigene Bevölkerung wurde international und im Lande immer bekannter. Die spektakuläre Flucht des griechischen Zerstörer „Velos“ nach Italien lies die Welt aufhorchen. Der Admiral Nikos Pappas forderte und erhielt für sich und seine Besatzung politisches Asyl. Die Studentenunruhen, die Zypernkrise und wirtschaftliche Schwierigkeiten zwangen Papadopoulus zum Einlenken. Er hängte die schillernde Uniform an den Nagel und präsentierte sich als befrackter Zivilist mit Engelszunge. Wahlen versprach er für das Jahr „Irgendwann“ und Lockerung der Pressezensur. Dies war zu viel für den härtesten Knochen der Führungsriege, den Folterbefürworter und Innenminister Dimitrios Ioannidis. Der setzte sich selbst an die Spitze der Regierung und das Land musste die nächste Verhaftungs- und Folterwelle ertragen. Der Terror erreichte seinen Höhepunkt.

1974 war es dann genug. Die Junta hatte im Land und international jeden Rückenhalt verloren. Selbst der Nato wurde es zu blöd. So kam es, dass ein Fliegergeneral aus den eigenen Reihen die Junta-Regierung als abgesetzt erklärte. Die Diktatur krachte wie ein Kartenhaus zusammen. Löste sich wie von weltpolitischer Zauberhand geführt in Luft auf.

Rasch wurde ein Exil-Politker aus dem Ärmel gezaubert und als Premier eingesetzt. Der kündigte Wahlen an, lies alle politischen Gefangenen frei, die Zensur wurde aufgehoben und der Weg zur Demokratie war frei.

Wenig später wurde die Junta-Troika zum Tode verurteilt und zu lebenslanger Haft begnadigt.

Was mache ich nun mit meiner halben Flasche Fix-Bier? Sollte ich jetzt das Rumpelstilzchen machen und krakeelen: „Ich will das Junta-Fix-Gesöff nicht trinken? Der jugendliche Kellner wäre fassungslos und würde kein Wort verstehen. Also los: Drei große Schlucke und die Flasche ist leer. Ein kleine Rülpser noch und ein Bäuerchen auf das letzte Fix-Bier meines Lebens.

PS: Nur unter uns Biertrinkern: Ist nicht schlimm, Fix-Bier ist eh nur eine lausige Plörre.

 

Ende der Abschweifung

 

„Hähni, was soll denn heute bitte schön das Bild des Tages werden“, fragt die Chronistin, die auch gleichzeitig für das Foto des Tages verantwortlich ist. Welches auch den Anspruch erhebt, unsere Erzählungen abzurunden oder zu illustrieren. Nichts, absolut nichts erinnert hier an die Junta. Kein Denkmal, kein Tag der Befreiung vom Junta-Terror, bei dem man vielleicht noch einen Umzug vor die Linse bekäme.

Abgesehen davon ist die Suche nach dem Tagesbild generell eine echte Herausforderung.

Mach erst mal ein Foto während einer 23 km Tour bei 30 Grad im Schatten. Und das auch noch mit dem Händie. Die Hände schwitzig und dick geschwollen. Die gleißende Sonne taucht das Display in tiefe Schwärze. Und immer, immer das Querformat. Fotografiere mal einen großen, alten Baum im Querformat oder eine antike dorische Säule. Außerdem kann ich ja nicht andauernd Strand und Berge und Traktoren und Hunde und meinen Hahn knipsen. Menschen würde ich gerne fotografieren. Traue mich das nicht so recht. Es fühlt sich an wie eine Grenzüberschreitung. Ich müsste vorher fragen. In Albanien habe ich das hin und wieder getan und es war einer der wenigen Wünsche, die mir verwehrt wurden. Sie wollten das nicht, was ich irgendwie sympathisch finde.

Ein gutes, ausdrucksstarkes Foto zu machen, ist eine Kunst. Unser Anspruch an das Bild des Tages sollte sich also in Grenzen halten. Ebenso wie an die Berichte des Tages und zu Ende gedacht, an die Reise in ihrer Gesamtheit.