Von Kalo Nero nach Kopanaki
In Erfurt im Interhotel „Thüringer Hof“ gab es eine Mokka-Bar. In Berlin, in der Karl-Marx-Allee, traf man sich in der berühmten Mokka-Milch-Eisbar. Die fand Nachahmer in anderen Städten der DDR. Im Radio dudelte der gleichnamige Schlager von Thomas Natschinski. „Hähni, erinnerst Du Dich an dieses Lied?“ frage ich in das Halbdunkel unserer Ferienwohnung. Die Antwort kommt leise singend: In der Mokka-Milch-Eisbar hat sie mich geseh'n, in der Mokka-Milch-Eisbar, da ist es gescheh'n. Ganz schön hintersinnig, finde ich heute und muss grinsen, auch weil mein Hahni ein so toller Sänger ist.
Mokka-Milch-Eisbar. Mokka-Bar. Schon als Kind beschäftigte mich eine Frage, während ich den geschwungenen, leuchtenden Schriftzug über dem Eingang studierte. Was genau ist ein Mokka? Irgendetwas mit Kaffee, soviel stand fest.
Und es ist wenig erstaunlich, dass ich die Antwort nun nach einer langen Reise über den Balkan kenne.
Wir kehren gerne ein auf einen Kaffee, in einem der vielen Kafenion am Wegesrand. Am liebsten in den kleinen Dörfern. Da sitzen fast ausschließlich ältere Männer, spielen Backgammon und trinken griechischen Kaffee. Und genau dieser hat es uns angetan. Wir bekämen ohne Probleme einen Cappuccino, einen Espresso oder einen Americano (eine bessere Art Filterkaffee).
Wir bestellen Ellinikó – den Griechen, wie die Kaffeespezialität hier genannt wird.
Schon mit der Bestellung taucht die Frage auf … wie süß soll er denn bitte schön sein? Gesüßt ist er nämlich grundsätzlich, nur das Maß muss geklärt werden. Das schwankt zwischen με ολίγη - wenig gesüßt, μέτριος - mittelsüß, und γλυκός – süß.
Und wenn ich dann lässig „Zwei Griechen – mittelsüß“ bestelle und das ganze mit einem freundlichen παρακαλώ (Bitte) abrunde, dauert es nicht lange und die kleine, nachtschwarze, duftende Köstlichkeit steht auf unserem Tisch. Schwer dümpelt sie in einer kleinen, dickwandigen und heißen Tasse und es gibt immer ein großes Glas mit klarem, kühlen Wasser dazu. Ist das Wasser in der Region nicht trinkbar, dann eben ein Fläschchen Mineralwasser. Eiskalt.
Streng genommen ist der „Grieche“ ein türkischer Mokka und die älteste Form der Kaffeezubereitung. Staubfein gemahlenes Kaffeepulver wird in einem langstieligen Kännchen mit kaltem Wasser und der gewünschten Menge Zucker gemischt und im heißen Sandbett, in der Glut einer Feuerstelle oder auf einer Herdplatte mehrfach aufgekocht. Das mit dem Sandbett waren dann eher die Beduinen und auch Glut in einer Feuerstelle konnte ich nirgends entdecken. Was ich des öfteren beobachten durfte, waren einfache Campinggaskocher. Die gehören nebst Kännchen häufig auch zur Ausstattung einer Ferienwohnung. Das mehrfache Aufkochen dient der perfekten Schaumkrone. Das ganze Prozedere wurde 2013 zum immateriellen Unesco-Weltkulturerbe erklärt.
Der Name Mokka leitet sich von der jemenitischen Hafenstadt al-Muchā (Mokka) am Roten Meer ab, von wo der ursprünglich aus Äthiopien stammende Kaffee der Sorte Coffea arabica in alle Welt verschifft wurde.
Das der türkische Mokka auf dem gesamten Balkan getrunken wird, ist wenig verwunderlich. Die Osmanen brachten nicht nur den Islam, sondern auch den Kaffee.
So bezeichnet man in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien dieses belebende Getränk als turska kafa/турска кафа, oder domaća kafa/домаћа кафа. Letzteres bedeutet einheimischer Kaffee. In Albanien nennt man ihn kafe turke oder kafe e zezë (Kaffee der Schwarze).
Man nennt ihn auch Türkischer Kaffee. Die Bezeichnungen „Der Einheimische“, „Der Grieche“ oder „Kaffee der Schwarze“ deuten darauf hin, dass die Völker des gesamten Balkan diese Form der Kaffeezubereitung derart verinnerlicht haben, dass er Teil der Kultur geworden und über den tief verankerten Hass auf die Türken erhaben ist.
Auch in Deutschland wird Türkischer Kaffee getrunken. Zumindest in der DDR war das gang und gebe. Da kamen zwei, drei Löffel vom grob gemahlenem Rondo oder Mokka-Fix in eine große Tasse. Mit dem Tauchsieder war geschwind das Wasser erwärmt. Dann wurde das Pulver überbrüht, umgerührt und wenn die tanzenden, wirbelnden Kaffeepartikel sich gesetzt hatten, war er trinkfertig. Meine Mutter hat ihn geliebt. Ich erinnere mich gut an die leeren Tassen mit den kaffeekrümeligen Rändern auf dem Küchentisch. Da konnte ich kaum darüber gucken.
(Der Korrekturleser merkt an, dass ihm diese Art des „Kaffeegenusses“ stets zuwider war. Die ewigen Krümel in den Zahnlücken, das Kratzen im Hals – nicht umsonst hat man den Filterkaffee erfunden. Jacobs, die Krönung! Hoch die Tasse, Hoch die Tasse, Mmm, Eduschos Spitzenklasse!)
Auch in der berühmten „Wiener Kaffeehaustradition“ taucht der Begriff Mokka auf und bezeichnet einen schwarzen Kaffee ohne Zucker und Milch. Ursprünglich wurde ein solcher Kaffee in einer Seihkanne (Karlsbader Kanne) gefiltert. Heutzutage kommt er aus der Espressomaschine.
Und was für einen Kaffee gab es nun in der Mokka-Bar? Einen Filterkaffee? Oder einen türkischen Kaffee oder das gesamte Sortiment mit Schlagsahne, Eierlikör, Rum? Ich weiß es nicht.
Mokka begeistert mich erst, seit dem ich in Griechenland bin. Hier allerdings restlos.
Heute morgen an der großen Kreuzung von Kalo Nero informiert uns ein windschiefes, in den Straßengraben gestütztes Straßenschild – Kalamata 61 Kilometer. Ab da sind es noch drei Tage. 61 Kilometer bedeuten im besten Fall drei Etappen. Drei plus drei ist sechs. Noch sechsmal Wanderschuhe schnüren, Rucksäcke aufhucken und am Abend wieder ab. Sechs mal aufbrechen, sechs mal ankommen und sich einleben. Wie ist die Küche ausgestattet, ist das Bett bequem, gibt es einen Laden, funktioniert das WLAN? Noch sechs Tagesberichte und noch sechsmal die nächtliche Frage: wo hat sich der verdammte Badlichtschalter versteckt.