139. Etappe

Von Nydri nach Poros

Ich habe die Faxen dicke. Restlos!

Wie oft landeten wir nun auf dieser Reise mitten im dicksten Gebüsch. Weg zu Ende! Dornen, Schlangen, Spinnen, Mais, Zäune, Geröll. Waden blutig. Gesichter hochrot und verschwitzt. Durchkämpfen, Hindernisse überwinden, resignieren, umkehren.

Heute ist es besonders übel oder ich bin besonders dünnhäutig. Knapp einen Kilometer vor dem Ziel, man sieht schon die roten Dächer der Häuser leuchten, ist kein Durchkommen mehr. Wir müssen zurück. Das bedeutet: den mächtig steilen Hang wieder hinauf, den wir gerade durch Gestrüpp herunter getappst sind. Das bedeutet fünf Kilometer mehr und 150 Höhenmeter obendrauf auf die Tagesetappe. Und nicht zuletzt müssen wir wieder an dieser zornigen Hundemeute vorbei. Da bin ich doch erst vor einer halben Stunde mit zitternden Knien vorüber geschlichen. Vier große zottige Kaventsmänner bewachen eine Stallung und uns trennt nichts als ein offenes Hoftor. Die zornige Kläfferei raubte mir den letzten Nerv. Jetzt muss ich da wieder vorbei.

Ich stapfe los, den Berg hinauf. Wütend. Wütend auf Komoot, diese bekloppte Wanderapp, die uns hierher geschickt hat, wütend auf die bekloppten Griechen, die ihre bekloppten Hunde einfach so frei rumlaufen lassen, wütend auf das bekloppte Wetter, welches immer irgendwie zu heiß oder zu kalt oder zu regnerisch ist, wütend auf meinen bekloppten Rucksack, der jeden Tag schwerer wird, wütend auf meinen bekloppten Hahn, der immer alles so easy nimmt, wütend auf mich. Wie kann man so bekloppt sein und so eine Reise machen.

Immer wieder geriet ich in seelische Krisen unterwegs. Ich ängstigte mich, ich haderte, hatte Sehnsucht und Zweifel. Wollte nichts als nach Hause. Kräfte schwanden, es flossen Tränen, ich rappelte mich wieder auf. Es ging immer weiter. Die Erfahrung wuchs. Die Kräfte schwinden im Angesicht des Zieles. Einer unserer lieben Nachbarn tröstete mich vor einigen Tagen in einer dunklen Stunde mit dem Ausspruch von Katharina von Siena: Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das zu Ende bringen.

Eine Stunde später sitzen wir im Schatten eines Einkaufslädchens am Wegesrand auf einer Bank. Vor lauter Frust habe ich mir eine Brause gekauft und noch ein Eis obendrauf. Mümmele lustlos daran.

„Huhni“ dringt eine zärtliche Stimme an mein Ohr, „das ist doch alles gar nicht schlimm. Aus zehn Kilometern werden nun fünfzehn. Das ist doch ein Klacks für uns. Das Wetter ist stabil. Wir haben Zeit. Außerdem haben wir gut gefrühstückt und genügend Wasser dabei. Wenn Dein Rucksack zu schwer wird, nehme ich Dir etwas ab. Die Hunde bellen eben, aber wenn man sich umdreht und sie scharf anguckt, dann ziehen sie den Schwanz ein. Die tun doch auch nur ihre Arbeit. So schöne Dinge haben wir heute schon gesehen. Sind durch kleine Dörfer gewandert. Haben grandiose Ausblicke genossen. Es wollte uns sogar jemand mitnehmen in seinem Lieferwagen. Ungefragt. Wie in Albanien. Und hast Du unsere kleine Katze vergessen“ ...

Ja, stimmt Hähni, die kleine Katze“. Die Lebensgeister kehren zurück. Sie gehörte zu unserer schönen Ferienwohnung, in der wir für zwei Tage ein respektables zu Hause gefunden hatten. Ein sehr schlankes, grau getigertes Wesen mit einem krummen Füßchen. Sie hinkte ganz ulkig, war sehr kommunikativ (miau, miau, miau) und wich mir nicht von der Seite. Sogar eine Dose Katzenfutter habe ich gekauft.

(Soweit ist es schon gekommen, mault der Korrekturleser. Katzenfutter für 60 Cent!! Eine halbe Bockwurst habe ich als Kompensation für die Büchse Drecksfutter geboten. Aber nein, Mietzi verträgt die Bockwurst bestimmt nicht, wer weiß, was da alles drin ist ... Komisch, ich darf die Bockwurst fressen, aber für Mietzi nur das Feinste! Und wieder bleibt eine gratige Blechbüchse im Müll liegen, spielt ja in diesem Fall keine Rolle! Ich wusste es schon lange: Das letzte Kind - hat immer ein FELL!)

Es hat mir Freude gemacht, sie zu versorgen und sie hat mir eine ganze Menge zurückgegeben. Zum einen habe ich ständig über sie geschmunzelt, sie ist nämlich eine großartige Schauspielerin. Zum anderen strahlt sie große Behaglichkeit aus, wenn sie sich neben mir zusammenrollt und schnurrt. Ich fühle mich ganz zu Hause.

Gestern haben wir Tourenplanung gemacht. Wir haben einmütig und einstimmig das Ende unserer Reise definiert. Am Donnerstag, den 27.09.2023, nach genau sechs Monaten Wanderung, wollen und werden wir ankommen.

Das Ende unbestimmt, offen und irgendwie mal sehen … das wäre ein „Kraftakt“, den wir nicht schaffen können.

Gute Nacht mein Katzimausi, Samtkatzi, Pfötchenweich, Mautzelkatz – versucht mich mein Begleiter aufzuziehen – allein ich weise ihn brüsk zurück. Huhn ist Huhn, for ever.