138. Etappe

Von Lygia nach Nydri

Als ich heute, wie gewöhnlich am Morgen, die Wetterprognose studiere, fällt mir die Kinnlade runter. Ich lese: Nach Hitze, Dürre und Waldbränden drohen in Griechenland jetzt schwere Unwetter. Über der Ägäis formiert sich ein starkes Gewittertief. Im Lauf der Woche ist mit heftigen Überflutungen und starkem Sturm zu rechnen. Urlauber aufgepasst, hier wird es brenzlig! Und ich rege mich auf und zwar so richtig. Was soll diese Panikmache? Wer verdient daran? Zunächst bin ich fassungslos darüber, das hier Waldbrände mit Naturkatastrophen gleich gesetzt werden. Das stimmt einfach nicht. Wir haben mit mehreren Leuten in Griechenland darüber gesprochen, zuletzt mit Georgia unter der großen Platane und jeder weiß, wie das hier läuft. Klar ist es heiß und trocken und das zunehmend mehr, aber kein Wald entzündet sich von selbst. Da reicht auch die berühmte Scherbe von der kaputten Bierpulle im Wald nicht und auch die Ursache Blitzschlag ist extrem selten, da dieser in aller Regel mit Regen einhergeht. Nein, die Waldbrände sind Menschenwerk. Manchmal ist es Nachlässigkeit. Mal eben ne Kippe aus dem offenen Fenster des Autos geworfen und ruck zuck wird es brenzlig. In den aller, allermeisten Fällen ist jedoch Brandstiftung die Ursache und nicht selten sind wirtschaftliche Interessen dahinter. Und häufig geht es um Bau- oder Weideland.

War es nicht der große griechische Philosoph Platon, der uns lehrte, dass das Gute das Ziel und der Ursprung aller Dinge ist? Und sein Schüler Aristoteles, der berühmte Universalgelehrte, der die Vernunft als das höchste Gute für den Menschen beschrieb?

Wenn ich mir die Sache mit den Waldbränden anschaue, überkommen mich erhebliche Zweifel an diesen Thesen.

Und dann die Panikmache: Urlauber aufgepasst! Völlig kontraproduktiv. Damit erzieht man niemand zur Vorsicht und zur Umsicht oder zum respektvollen Umgang mit den Naturgewalten, die in aller Regel am längeren Hebel sitzen. Diese Art von Berichterstattung führt zur Abstumpfung. So schlimm wie angekündigt wird es selten und wenn dann wirklich Gefahr im Verzug ist, hört keiner mehr hin. Neben den spektakulären Wetterinfos ploppt ständig Werbung auf. Traurig, dass an der Furcht der Menschen Geld verdient wird.

Dabei ist die Sache mit der Wettervorhersage doch eine ziemlich gute. Schon immer bemühen sich die Menschen um Prognosen und orakeln. Da gibt es die Bauernregeln und den berühmten Wetterfrosch im Glas und wenn die Schwalben tief fliegen und so weiter. Vor allem für die Landwirtschaft war und ist das von enormer Bedeutung. Und für die See- und die Luftfahrt. Heute liefern Beobachtungsstationen rund um die Welt eine Riesenmenge an Wetterdaten. Wetterballone, Satelliten, Bodenmessstationen und Wetterschiffe sammeln unermüdlich Informationen. Gemessen und beobachtet werden dabei Temperatur, Luftdruck, Windrichtung und Windgeschwindigkeit, Wolkenhöhe und Art der Wolken, Anzahl Sonnenstunden und Niederschlagsmenge. Computer werten diese Daten aus und erstellen Modelle, die nicht nur auf den aktuellen Daten, sondern auch auf denen vor Jahrzehnten beruhen. Und trotzdem stimmt die Prognose oft nicht. Warum? Das Wetter hat nämlich auch chaotische Anteile, die kein Modell voraussagen kann. Außerdem verstehen wir die Entstehung des Wetters in der Erdatmosphäre noch lange nicht so gut, wie wir gerne möchten. (Tja, meint der Korrekturleser, man weiß es eben nicht, ist eben wie beim Wetter!)

Wie gehen wir um mit dem angekündigten Sturm- und Gewittertief? Erst einmal ruhig bleiben und einen Blick aus dem Fenster wagen. Der Himmel ist leicht bedeckt, es ist windstill. 13 Kilometer liegen vor uns, dicht am Rande der Zivilisation. Unterschlupf finden wir überall. Der große Regen und der Sturm ist für den Abend und den nächsten Tag vorhergesagt. Es gibt keinen Grund die Tour heute nicht zu gehen und morgen machen wir einen Ruhetag und warten ab, wie sich die Sache entwickelt.

Lefkada ist eine schöne kleine Insel, ungefähr so groß wie Usedom und weitestgehend vom Massentourismus, wie wir ihn auf Korfu erleben mussten, verschont.

Es gibt zwei kleinere touristische Orte, ein paar schöne Strände und in den Bergen noch sehr ursprüngliche Dörfer. Der Süden ist bei Windsurfern sehr beliebt.

„Hähni, die wievielte Insel ist Lefkada eigentlich auf unserer Reise? Befrage ich rhetorisch meinen Reisegefährten, der neben mir auf dem großen Sofa unserer gemütlichen Ferienwohnung lümmelt. Und „Lass uns mal zählen!“ fordere ich ihn auf ohne eine Antwort abzuwarten.

Also: Krk war die erste. Da sind wir mit dem Bus über die Brücke gefahren. Weißt Du noch Hähni? Da wo das WLAN sich ganz von allein verbindet. Anschließend sind wir zum ersten Mal mit der Fähre gefahren auf die Insel Rab. Dort sind wir auf einem wunderschönen alten Pfad gewandert. Erinnerst Du Dich? Und dann sind wir mit einem Bötchen auf die karge Insel Pag geschippert und haben große Augen bekommen in der Partystadt Novalja. Später kamen die Inseln Ugljan und Pašman. Sie sind mit einer Brücke verbunden und auf der urigen Insel Pašman haben wir gezeltet, fast alleine auf dem Campingplatz. Die Saison hatte noch nicht begonnen. Zählst Du mit, Hähni? Dann kam lange nix und dann die grüne Insel Brač mit ihren eigensinnigen, mutigen Bewohnern und dem berühmten weißen Marmor. Und auf der Überfahrt zum Festland war Gewitter und ich habe mir so was von in die Hose gemacht. Wenn ich da dran denke Hähni. Und dann? Ist eigentlich Schluss, aber lass uns noch die Halbinsel Pelješac mitzählen. Da sind wir ja auch mit der Fähre hingefahren und haben Muscheln gegessen aus der Bucht von Mali Ston und diesen besonderen Rotwein getrunken. Und dann Korfu und jetzt …

Der Kopf meines Liebsten liegt schwer auf meiner Schulter. Er ist seit geraumer Zeit eingeschlafen und schnarcht leise. Irgendwie sind wir müde.