132. Etappe

Von Parga nach Agio Kiriaki

Wir sind im Herbst unserer Reise angekommen und das fühlt sich gleichermaßen verstörend und beruhigend an. Ob es sich auch so anfühlt, wenn man im Herbst seines Lebens angekommen ist?

Dieses Gefühl hat zunächst eine meteorologische Komponente. Der Sommer verliert an Größe. Seine gnadenlose Kraft schwindet. Das Licht der Sonne wird golden. Die Blätter färben sich gelbbraun. Am frühen Morgen wird Laub gekehrt in den unzähligen Tavernen am Wegesrand. Die Strände leeren sich. Gastwirte schneiden Bandmaß. Unser Herbergsvater Babi erklärt uns mit einer erleichterten Euphorie in der Stimme: „noch 11 Tage, dann ist es vorbei. Dann hauen wir ab.“ Mit „Wir“ meint er seine kleine freundliche Frau und sich selbst. Sie ist für die Zimmer zuständig. Er für die Taverne. Nach Dänemark wollen sie fahren oder nach Finnland. Dort lebt ihr Sohn.

Man hat es fast geschafft. Die Saison ist gewuppt, das Geld verdient. Unter Anstrengung. Beide sind nicht mehr die Jüngsten, wie viele hier. Die nahende Erleichterung lässt Emotionen zu, außerhalb des Funktionierens. Lässt aber auch Erschöpfung an die Oberfläche dringen.

„Hähni, ich finde wir sind ganz schön abgebrüht.“ Wende ich mich an meinen in sich gekehrten Begleiter. „Früher, vor Wochen oder Monaten, da waren wir am Ende jeden Tages euphorisch. Der Plan ging auf. Neugierig, gespannt tigerten wir los. Staunten. Über die Welt, über das, was uns begegnete, über uns selbst. Tapsten unsicher und ungelenk durch unsere Reise. Haderten, zweifelten, ängstigten uns. Am Ende des Tages waren wir immer die überraschten Gewinner. Reich beschenkt mit Aus- und Einblicken. Begrüßungsgetränke flossen in Strömen, die hatten wir uns redlich verdient. Jede Tour werteten wir bis ins Detail aus. Durchschritten sie noch einmal in Gedanken. Robert nickt mit dem Kopf. Diffuse Zustimmung. Er weiß auch nicht, was mit uns los ist. Irgendwo zwischen Sarande und Igoumenitsa haben wir etwas verloren. Oder sind wir einfach angekommen?

Die größten Unbekannten der Reise (Montenegro und Albanien) sind zu lieben Vertrauten geworden. Die Tourenplanung läuft routiniert. Wir zehren vom großen Erfahrungsschatz unserer Reise. Wir wissen, dass uns nichts passiert und wir immer irgendwie weiterkommen werden. Und wir uns aufeinander verlassen können. Hier in Griechenland kennen wir uns aus. Wir bezahlen mit dem Euro und Geschäfte haben auch am Sonntag geöffnet. Gelbe Straßen kann man gehen, weil sie hier ungeheuer breit sind. (Warum eigentlich? Hat das was mit der EU zu tun?). Schwarze Linien auf der Landkarte (Pfade also) brauch man gar nicht erst versuchen. Die enden zwangsläufig im Gestrüpp.

Das große Abenteuer ist vorbei. Die Zukunft begrenzt und bekannt und der Prellbock in Sicht. Oft gehen unsere Gedanken zurück, verweilen in der schillernden Vergangenheit und mitunter entgeht uns die Schönheit des Augenblicks.

Es ist beruhigend und verstörend. Wir spüren Erschöpfung, haben keine Angst mehr. Sind ruhig, vermissen unsere bisherigen Abenteuer, genießen die letzten Kilometer. Und erzählen unsere Geschichte in Ruhe zu Ende.

 

Kleine Robertsche Abschweifung 19

 

Der Rucksack. Kunststoff, metallverstärkt

Darf ich vorstellen: Mein Rucksack. Er ist neben Martina mein engster Reisebegleiter, hängt er mir doch ständig auf der Pelle. Ein Fliegerfreund hat ihn mir für diese Reise vermacht. Ca. 38 Liter Rauminhalt hat das graue Ding, falls jemand mit dieser Zahl etwas anfangen kann. Kosenamen gibt es für solche Gegenstände nicht, wir sind doch nicht albern.

Was ist da eigentlich drin? Tief unten das Zelt mit 1,7 kg, Schlafsack, Isomatte. Alles nicht preisgünstig. Dann kommt der Kleiderschrank. Zwei Reserve-T-Shirts (eins dient als Kopfkissen beim Zelten), ein Ersatzschlüpfer, ein Ersatz-Stirnband. Das war´s. Dann der Küchentrakt. Ein Plastebecher blau, eine Plastebüchse 20x10x10 cm. Ganz wichtig zur Aufbewahrung von Nahrung. Dann der Schuhschrank, bestehend aus einem paar blauen Gummischwimmschuhen, versehen mit jeweils einer weißen Plastik-Bommel. Beim Gehen wippen diese lustig im Takt der Schritte. Die ziehe ich an, wenn wir über die Strandpromenaden lustwandeln oder über steinigen Strand ins Meer hüpfen.

Die Deckelinnentasche: Ein Kamm. Jaha, ich habe einen. Und ein kleiner Holzlöffel und die Ersatzbrille.

Die Deckelaußentasche: Stirnlampe samt Ladegerät, Skatkarten, Kinderkompass, kleine Tasche für Ausweis + Kreditkarte, weiterhin Schreibpapier, Stift.

In der großen Außentasche befindet sich eine Wasserflasche, Klopapier (wenn´s mal eilt) und der Regenbezug. - So, das war es. Ich denke, je nach Wasserbefüllung und Nahrungsvorrat schwankt das Gewicht zwischen 7 und 9 kg.

Und was habe ich am Körper: Kurze Hose, inzwischen mit Loch. Drunter Schlüpfer Nr.1. In der Tasche rechts: Taschenmesser griffbereit, um Martina zu beschützen (die Korrekturleserin fragt sich verwundert, warum ihr Hahn sich hier so aufspielt) Tasche links: Portemonnaie und defekte Uhr, von der ich mich nicht trennen kann. Rotes Stirnband auf der Birne, Sonnenbrille trendig-lässig-modisch auf der Stirn, Wanderschuhe (nicht günstig) neu besohlt am Fuß, T-Shirt ausgeleiert, löchrig und ausgeblichen. Um den Hals baumelt die Klick-Magnet-Brille.

Was für eine Erscheinung! Ich bin ganz und gar begeistert von mir.

 

Ende der Abschweifung