126. Etappe

Von Bunec nach Nivice

Was für die meisten Urlauber ein Grund zur Glückseligkeit ist, bedeutet für uns Reisende Tortur.

Nicht zum ersten mal sind wir gestern nach kurzem, knackigem Weg an einem der Traumstrände des ionischen Meeres gelandet. Auf einem Campingplatz. Natürlich heißt er vielversprechend und etwas rührend „Tropical Paradise“. Es ist gerade mal 12 Uhr.

Der Strand kleinkieselig, das Wasser grünblau, die Stimmung der Badelustigen grandios. Aus den Strandbars dudelt Albanopop, hin und wieder auch mal Smoke on the Water. „Hähni, wer singt das?“, frage ich meinen kulturbeflissenen Mitsechziger. „Du weißt das nicht?“ Er schaut mich entsetzt an. „Na, was Du Klugscheißer, das ist aus den frühen Siebzigern, da hattest Du schon lange Haare und ich war nicht mal auf der Welt“, antworte ich gereizt. So ist nämlich auch meine Stimmung, einfach im Keller.

12:30 Uhr, das Begrüßungsgetränk in Form einer Dose Elbar ist getrunken, die Tour ausgewertet. Was nun? Bauen wir das Zelt auf. Jeder Handgriff sitzt, der Schweiß strömt trotzdem aus allen Poren. 12:45 Uhr. Das Zelt steht unbenutzbar in der unbarmherzigen albanischen Sonne. Reinlegen und ausruhen können wir vergessen. Wir haben keine Lust auf Sauna. „Was nun, Hähni?“ frage ich ratlos und verschwitzt. „Trinken wir erst mal einen“, kommt die Antwort. „Aber nicht schon wieder Bier, das Hopfengesöff kommt mir ja schon zu den Ohren raus“. Wir bestellen einen halben Liter vom selbstgemachten weißen Hauswein. Eine Stunde bringen wir damit zu im Schatten der Bretterbude, die sich Strandbar nennt, beobachten die Urlauber beim Mittagessen.

Dann machen wir endlich das, was alle hier machen. Gehen an den Strand. Wir müssen baden, schließlich sind wir hier nicht zum Spaß. Und es macht Spaß. Robert hechtet von der schartigen Betonlandungsbrücke aus Envers Zeiten und taucht, wie gewohnt, spritzerlos ein. Ich ziere mich etwas, lasse es ruhiger angehen. Wir treffen uns am Ufer. Kurz sind wir euphorisch. Schnell hat uns die Sonne trocken geleckt. Die Umgebung ist zur Genüge bestaunt. Wir fangen an zu schwitzen. „Was nun, Huhni, was machen wir jetzt, es ist gerade mal 14:30 Uhr“, lese ich in den ratlosen Augen meines badebehosten Hähnchens. „Lass uns einfach mal beobachten, was die anderen so machen. Vielleicht bekommen wir eine Idee“, übernehme ich die weitere Organisation des Tages. Wir schauen uns um. Sie liegen. Einfach so. Sie liegen auf Liegen, auf Decken oder einfach halb im Wasser. Sie tun nichts. Einer liest etwas (von 500), manche fummeln am Händie. Aber im Wesentlichen liegen sie, vorsichtig ausgedrückt, apathisch herum. Einzig die Kinder folgen ihrem Bewegungsdrang. Wann der den Eltern wohl abhanden gekommen ist?

Das müssen wir ausprobieren. Im Selbsttest. „Hähni, wir leihen uns für eine Stunde ein Sonnenschirm-Liegestuhlset. Das kann ja nicht die Welt kosten hier in Albanien. Wir schnappen unser grünes Beutelchen, finden einen freien Platz. Noch bevor wir uns niederlassen, muss ich den Preis erfahren. 1200 Lek (12 Euro) kostet die Annehmlichkeit. Pro Tag. Das ist ein fairer Preis. Für eine Stunde ist uns das zu teuer.

Was nun, Hähnchen, frage ich Dich“. „Nein Hühnchen, ICH frage Dich!“ Was machen wir jetzt? „Mach doch mal vom Steg ne richtige Arschbombe“ kreische ich zynisch. Robert winkt ab. „Ach lass uns doch einen trinken gehen“, kommt die einfallslose Antwort.

„Einen trinken, einen trinken. Es ist gerade mal 16:00 Uhr“. Wir müssen die nächste Tour planen, einen Tagesbericht wollen wir schreiben. Dazu brauchen wir unsere Kraft. Wir sind keine Urlauber, sondern Reisende. Fühlen uns wenig aufgehoben in diesen Paradiesen des ungewöhnlichen Sommerurlaubs. Ich weiß immer noch nicht, wo hier die Abwässer verschwinden.

Nun sitzen wir allein in der Strandbar. Die Mittagsgäste liegen längst wieder am Strand. Verdauen. Wir bestellen uns einen halben Liter Weißwein und eine große Flasche Wasser. Erst mal das matschige Gehirn in Fasson bringen. Tourenplanung. Gott ist das alles nervig. Keine Unterkünfte, nur Straßen. „Wir Pfeifen könnten querfeldein gehen und abends unser Zelt irgendwo aufstellen“, prangere ich an. „Huhni, auch Du bist nicht mehr die Jüngste. Mit Zwanzig hätten wir das gemacht, im dreiwöchigen Urlaub in Rumänien. Aber nicht jenseits der gemeinsamen hundert Jahre auf einer Tour, die ein halbes Jahr währt“.

„Hähni, ist das ein Grund, sich in die Fänge der Kraken booking.com und Airbnb zu begeben“, rufe ich verzweifelt. „Ja, ja, ja, genau das ist der Grund“, antwortet mein weitgereistes, in die Jahrzehnte gekommenes Hähnchen.

Wir finden die morgige Unterkunft. Die Gemüter kühlen ab.

Es ist 17 Uhr. „Was nun?“, fragt mich Robert.

„Was nun, was nun, was nun?“, äffe ich ihn nach. Der Tagesbericht was sonst? Ich bin müde, habe Hunger und der Weißwein vernebelt dezent mein Gehirn. Wie soll ich das Wesens des Tages einfangen?

Ich sammele meine Gedanken, fange an zu schreiben. Versinke darin. Finde Ruhe.

Gegen zehn liegen wir im abgekühlten Zelt. „Was nun?“ raunt mir mein Hahn zärtlich ins Ohr. „Robert, ich glaube es nicht, ich glaube es gerade nicht“, schrecke ich auf. „Das Zelt ist doch viel zu klein. Und außerdem haben wir Nachbarn“.