Von Dukat nach Gjipe
Es kam, wie es kommen musste. Feucht und fröhlich geht der Abend zu Ende. Der Duft von Raki hängt in kühler Nacht.
Heute morgen haben wir einen dicken Kopf, den tolerieren wir gelassen. Wertvolles Wissen über Land und Leute aus erster Hand hat seinen Preis.
Wir haben erfahren, dass die Albaner und die Menschen im Kosovo die selbe Sprache sprechen, sich als ein Volk verstehen. Direkte Nachfahren der Illyrer sind sie. Sie waren die ersten auf dem Balkan. Ihre Gastfreundschaft hat ihnen „das Genick gebrochen“, schildert Erion aus dem Kosovo, der mit dem bayerischen Akzent.
In Albanien klopfst Du an eine Tür, erklärt uns der alte Lorik und Erion dolmetscht, und wirst hereingebeten, dann wird Dir ein Kaffee angeboten und erst dann fragt man, wie man Dir helfen kann.
Und so kamen die Slawen und die Osmanen. Alle klopften an die Tür. Kamen herein und nutzten die Gutmütigkeit der Gastgeber aus. Brachten den Islam, brachten das Kreuz.
Man ist sich einig am Tisch: Albaner brauchen keine Religion. Sie haben Sonne, Mond und Sterne. Religion bringt nur Kriege und Unglück über die Menschen. Das ist ihre Erfahrung mit Allah und mit den christlichen Slawen. Enver Hodscha´s striktes Verbot jeder Art von Kirche hat hier niemanden gestört. Man ist ein bisschen stolz darauf, ein wirklich atheistisches Land gewesen zu sein. Nach der politischen Wende kamen sie wieder angekrochen. Moscheen wurden in jedem noch so kleinen Kaff gebaut. Die Türken haben das bezahlt, munkelt man. Und meistens steht als Konkurrenz gleich daneben eine große Kirche. Wer die bezahlt hat, ist unklar. Jedenfalls nicht Albanien. Die Leute scheren sich einen Dreck darum. Der Muhezzin kräht, die Kirchenglocken bimmeln. Man sitzt im Schatten eines Baumes, trinkt Raki und lässt das Theater über sich ergehen.
Natürlich dürfen wir heute morgen nicht ohne einen Kaffee gehen. Nun lernen wir endlich Lazi kennen. Der junge Mann managt das Familienunternehmen Campingplatz. Spät in der Nacht kam er zurück. Er hatte eine Gruppe Gäste über die Berge zu einer romantischen Bucht geführt, die man eigentlich nur mit dem Schiff erreicht. Eine siebenstündige Ochsentour war das. Auf der einen Seite 900 Meter hoch, auf der anderen wieder 1300 runter. Auf Wegen, die nur er und sein Vater Erion kennt. Der Alte kennt die Berge auswendig. Er war lebenslang mit seinen Ziegen darin unterwegs.
Erion ist 79. Heute morgen war er der erste auf den Beinen und hat seine zwei Schafe gefütterte, den Garten bewässerte. Während wir alle noch pennten. Wie macht er das? Er hat doch mindestens soviel Raki getrunken wie wir.
Wir beraten uns mit Lazi über die heutige Route. Der 1000 Meter hohe Llogara Pass will überschritten sein. Über die Berge zu gehen, wäre eine Variante. Man rät uns dringend ab. Nicht mit dem Gepäck, außerdem sind die Wege nicht markiert. Straße? Viel zu viel Verkehr. Es gäbe die ganz alte Straße, erklärt er uns … was für eine Straße? Ich werde hellhörig. Direkt hinter dem Haus verläuft sie. 100 Jahre ist sie alt. Ich öffne meine Wanderapp. Lazi, was redest Du? Hier gibt es keinen Weg. Zumindest keinen, der auf meiner Superduperapp eingezeichnet wäre. Doch, beharrt er, es ist ganz einfach. Immer geradeaus und beweist es mir durch ein Satellitenbild auf seinem Smartphone. Eindeutig erkenne ich den Weg.
Ok. So machen wir es. Und dann? Nach 9 km, kurz unterhalb des Passes stoßen wir auf die Schnellstraße. Was dann? Fährt ein Bus? Wie weiter? Seine Antwort ist sehr einfach. Trampen. Keine zehn Minuten steht ihr da, verspricht er uns. Und noch eine Frage, Lazi. Wir haben kein Quartier heute in Dhermi. Die Stadt ist voll. Gibt es einen Campingplatz? Er weiß es nicht, er ist aber ganz sicher, dass das völlig unproblematisch ist. In Albanien kannst Du überall Dein Zelt aufschlagen. Kein Mensch wird etwas dagegen sagen.
Na, dann los. Ein Abenteuer wartet auf uns.
Der Weg ist gangbar. Wunderschön zieht er den Bergen entgegen. Das Trampen funktioniert wie versprochen. Keine fünf Minuten halten wir den Daumen raus und werden dann sicher durch grandiose Serpentinen gelenkt. Und nach weiteren 5 km landen wir an einem Strand, zu dem man nur zu Fuß gelangen kann. Dort gibt es einen Campingplatz und natürlich können wir dort schlafen. Was denn sonst.