87. Etappe

Von Blato nach Gradac

Es gibt zu berichten, dass an der dalmatinischen Küste die Domestizierung des Mannes als abgeschlossen gilt. Schon seit Tagen beobachten wir dieses Phänomen auf unseren Streifzügen durch die beliebte Ferienregion.

Mann schiebt Kinderwagen, schleppt nebenbei den gesamten Hausstand zum Strand und erledigt Berge von Abwasch in der Küche des Campingplatzes. Gemeinsam mit Leidensgenossen. Mann läuft in Badelatschen mit einem schreienden Säugling auf dem Arm über die Strandpromenade. Wiegt ihn genervt im Arm (ich würde das schon schütteln nennen), summt Lieder mit Schweißperlen des Stresses auf der Stirn. Am liebsten würde er wahrscheinlich den Kleinen hinschmeißen und abhauen, um mal eben Zigaretten holen zu gehen. Mann wechselt Windeln unter farbigem Sonnenschirm, pustet Schwimmflügel auf und passt Taucherbrillen an. Und wenn er dann alles erledigt hat, drückt ihm Madame die Sonnencreme in die Hand: „Schatz, kannst Du mir mal den Rücken eincremen!“ lautet der Befehl.

Und was macht Frau? Frau muss mal ausspannen, mal durchatmen. Wenigstens im Urlaub. Die Mehrfachbelastungen, Kindererziehung, Brotbüchsen mit selbstgerollten Dinkelkeksen zu bestücken, sich in der Elterninitiative zur Gründung einer neuen Schule zu engagieren oder sich mit unfähigen Pädagogen herumzuzerren, bringen sie an den Rand des Burnout. Fix und fertig ist sie. Die verbeamteten Ignoranten kurz vor der Pensionierung verstehen einfach nicht, dass ihr kleiner Jakob (Name frei erfunden) nicht frech, faul, ungezogen und verwöhnt ist, sondern einfach hochbegabt.

Der gezähmte Mann wirkt in diesem Leben nicht glücklich und engagiert. Das hat er sich so nicht vorgestellt. Dominant wollte er sein und die Hosen anhaben. Das Bier sollte bereit stehen, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt und das Abendbrot auf dem Tisch. Nach dem Essen wollte er seinen braven Kindern noch eine gewichtige Rede halten über ihre Zukunft, um sie mit einem Kuss auf die Stirn milde ins Bett zu verabschieden. Das Kleinste sieht er nur selten. Sauber gewickelt, liegt es mit rosa Backen schon lange im Bett und schläft.

Der dressierte Mann wirkt resigniert, hat aufgegeben. Wollte wahrscheinlich nie kämpfen, wollte nur, dass alles so bleibt wie immer.

Es war kein leichter Kampf, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen.

(Nun reicht es aber, meldet sich der Korrekturleser energisch zu Wort und will eine Lanze für die kroatische Frau brechen. Immerhin haben vor 30 Jahren ihre Väter, Onkels, jungen Opas und großen Brüder einen mörderischen Krieg gegen ihre jugoslawischen Landsleute geführt. Ein Massaker nach dem anderen, tausende Tote in einem Krieg, der jedem heute nahezu unverständlich ist. Die Männer hatten komplett ihr ohnehin kleines Gehirn – kleines Gehirn, großer Schwanz - beim Oberfeldwebel abgegeben und dumpf auf einen vermeintlichen Feind von nebenan eingedroschen. Heute will keiner mehr so richtig was davon wissen. Vielleicht musste die kluge Kroatin die Reißleine ziehen und hat den Macho-Dumpfbacken ein wenig die „Hosen“ ausgezogen. Ihnen die Kinder in den Arm gegeben, damit die neue Generation Mann nie wieder solche blutigen Spiele anzettelt? Unterschätzen wir diese Damen nicht – meint der Korrekturleser.)

Unsere stärksten Waffen haben wir gegen den Erzeuger unserer Nachkommen ins Feld geführt. Weinerliches Genöle, gepaart mit Liebesentzug. Beharrlich und geduldig eingesetzt, haben sie ihr Ziel nicht verfehlt. Wir haben gewonnen. Sind die Sieger:innen. Das haben wir sauber hinbekommen.

Den für uns sympathischen Tourismus durften wir auch heute wieder beobachten. Ich taufe ihn auf den Namen: Crescendo der Badelust. Das periodische An- und Abschwellen der touristischen Vergnügungen ist der Geographie geschuldet. Die Küste ist steil hier und sehr feingliedrig. Eine kleine Bucht folgt auf die andere. In jeder ein beschaulicher Ferienort. Wir laufen dicht an der Wasserkante und nehmen jede Biegung mit. Es ist immer das gleiche Spiel. Zunächst sind wir völlig allein. Es gibt eine Art Niemandsland. Da kommen die einen nicht mehr und die anderen noch nicht hin. Dann tauchen die ersten Urlauber auf, rote Dächer leuchten durch den Pinienwald. Unser Weg wird zur Dorfstraße und auf den Balkonen der Apartmenthäuser hängen die bunten Strandhandtücher. Die Dorfstraße wird zur schattigen Promenade, der Strand verbreitert sich halbmondförmig. An seiner dicksten Stelle gibt es ein Restaurant, ein Kaffee, einen Studenac Market, einen Obststand, eine Eisdiele. Der Höhepunkt der Urlaubsfreuden, eine Cocktailbar. Open von 9:00 – 23:00 Uhr. Die mag ich. Da dudeln den ganzen Tag melancholische, kroatische Schlager, die ganz sicher von der Liebe und dem Tod erzählen. Und genau wie sie aufflammen, sich entwickeln und entfalten, versiegen die Sommerfreuden wieder. Die Sichel des Strandes wird schmaler, die Lokale weniger, am Ende meist ein kleiner Hafen, eine Bäckerei und dann sind wir wieder allein.

Die Stimmung ist gut in diesen „Hochburgen“ des Tourismus. Gelassen, freundlich, ruhig. Die Menschen streiten sich nicht, cremen sich liebevoll den Rücken ein, lecken ein Eis, dümpeln gedankenverloren im grünblauen Meer. Wenn so das große Ungetüm der im Sommer überrannten dalmatinischen Küste aussieht, dann kann ich damit sehr gut leben. Die Hauptsprache ist hier Polnisch. Ich verstehe jedes Wort, wenn die kleinen, braungebrannten Kinder ihren Eltern eine Kugel Eis nach der anderen, Kartoffelchips oder eine Stunde auf der Wasserhüpfburg abschwatzen. Das Geld sitzt locker. Man will ja wenigstens im Urlaub seine Ruhe haben. Mit mir, liebe Kinder, könntet ihr euch das nicht erlauben. Ich habe euch durchschaut, ihr kleinen Schlawiner.

Am Ende jeden Tages wartet eine Überraschung auf uns. Wo werden wir schlafen, was werden wir vorfinden, wie werden wir empfangen?

Hervorragend heute. Einen halben Liter Weißwein aufs Haus und einen handfesten Vermieter im besten Alter. Robert solle nur seinen Wein trinken. Er würde mir das Zimmer zeigen. Wenn wir in zehn Minuten nicht zurück wären, dann solle er sich Sorgen machen und vielleicht mal nachschauen. Das letzte überlebende Exemplar „Macho“ an der Adria?

Aber ganz ehrlich, was soll ich denn mit zehn Minuten?