63. Etappe

Von Omišalj nach Malinska

„Viel auf Reisen ich bin, immerfort, jahrein, jahraus

Kaum verweile ich, zieht's in die Ferne mich hinaus

Doch wo immer ich bin, komm ich überall nach Haus

Wo das WLAN sich ganz von allein verbindet.“

Der Text schwebt auf einer durch und durch schlichten und wehmütigen irischen Melodie, sehr ernsthaft vorgetragen vom A-capella-Männerquartett-Maybebop.

Karl-Heinz aus Mittweida hat uns dieses Lied geschenkt. Es ist nun schon ewig her, als wir im frühesten Frühling mit den Fahrrädern dort einritten. Karl-Heinz kam gerade von der Chorprobe, sie üben dieses Lied. Es war ein schöner Abend. Ich erinnere mich an die muntere Katze Lissy, die auf unserem Bett herum getollt ist, mitten in der Nacht. Nebels sind inzwischen Großeltern geworden. Was die kleine Hannah wohl schon kann? Sechs Wochen muss sie nun auf der Welt sein. Vielleicht dreht sie sich schon vom Bauch auf den Rücken.

Gestern Nachmittag spuckte uns der Bus bei strömendem Regen in Omišalj auf der Insel Krk aus. Schnell nahmen wir unsere Rucksäcke aus dem Bauch des Fahrzeuges entgegen und genau so schnell verschwanden wir in der Bar schräg gegenüber. Brachten uns in Sicherheit vor Regen, Blitz und Donner. Unsere Herberge: drei Kilometer entfernt. Nach einer Stunde, es pladderte immer noch, bestellten wir uns ein zweites Glas Weißwein und fragten nach dem WLAN-Passwort. Warum untätig sein, lass uns die Tour für morgen planen. Die nette Kellnerin schnappte sich mein Handy, fummelte und machte und wir waren AUFDERLINIE, also online. Toll!

Irgendwann schien wieder die Sonne, klar, irgendwann scheint immer wieder die Sonne und wir zogen weiter in unser neues Quartier.

Heute morgen sind wir zurückgekehrt in dieses freundliche Lokal. Auf einen Morgenkaffee. Und siehe da, wir sind nach Hause gekommen. Dahin, „wo das WLAN sich ganz von allein verbindet“.

Unsere Tour heute war ein absoluter Witz. 16 Kilometer ohne nennenswerte Steigungen. Mal abgesehen von zwei Kilometer an einer übelst befahrenen Straße, die Hauptschlagader der Insel, sind wir nur Strandpromenade gelaufen. Menschen mit Luftmatratzen, Schwimmnudeln und aufgeblasenen Riesenschwimmringen in Entenform schlurfen an uns vorüber zum Strand. Sonnenschirme werden aufgebaut, Kühltaschen in den Schatten gestellt, Liegestühle in Position gebracht. Staunend laufen wir an einer barbusigen Frau vorbei. Sie liegt mit weit gespreizten Armen und Beinen in der prallen Sonne auf einem großen, nackten Stein. Was will sie mit dieser Pose wohl ausdrücken? Nimm mich, liebe Sonne, nimm mich! Gesund ist das bestimmt nicht. Früher waren die Armen braun von der Feldarbeit und die Reichen von vornehmer Blässe. Irgendwann war es mal andersherum. Aber irgendwie werden die Leute auch vernünftig, hoffe ich. Wir bestaunen die Sonnenbadenden, wie sie einfach da so rumliegen. Stundenlang.

„Hähni, am Strand liegen ist eine Kunst, eine besonders hohe Form der Meditation. Wir sollten uns darin üben“, fordere ich meinen Wandergefährten auf. Er läuft ebenso staunend wie ich durch das noch zaghafte, vorsommerliche Geplänkel an der Adriaküste.

„Meinst Du?“ quetscht er sich zwischen den Zähnen hindurch. Na ja, vielleicht müssen wir nicht. Aber so geht es jetzt die nächsten 300 Kilometer weiter. Zadar, Split, Dubrovnik. 300 km Strandpromenade, zunehmend heißer und belebter. Darauf müssen wir uns einstellen.

Eine neue Zeit ist angebrochen. Vorbei die bestens markierten, wunderschön geführten und menschenleeren Wanderwege durch Tschechien. Bei vier Grad und Nieselregen. Vorbei die verschneiten Alpenpässe. Vorbei der stille, zweite Frühling in Spittal an der Drau. Die mystische Reise im Dauerregen auf quasi autofreier Landstraße in einem vergessenen österreichischen Nebental. Das hügelige, für Wanderer unerschlossene Istrien. Ab nun sind wir nur noch selten allein.

Schon am Mittag erreichen wir Malinska. Nehmen den typischen, fast rituellen Begrüßungstrunk, planen ein bisschen die Tour, schlafen zwei Stunden. Am späten Nachmittag gehen wir nochmal zum Strand runter, schwimmen eine Weile. So wird das jetzt weitergehen. Kleine Touren, ausgedehnte Mittagsruhe. Sigá sigá. Des Griechen Lieblingssatz. Übersetzt heißt es: Immer mit der Ruhe. Na mir soll es recht sein.