62. Etappe

 

Von Brseč nach Omišalj

 

Heute sind wir um den Norden der Kvarner Bucht herum gegondelt, um auf die Insel Krk zu gelangen. Wir haben es ruhig angehen lassen. Bis um zehn drückten wir uns in unserer Ferienwohnung herum, dann haben wir vor Suzis Market auf einer Bank abgehangen. Robert hat seine zahlreichen Pfandflaschen abgegeben und Kaffee haben wir getrunken. Aus dem Automaten. Richtig heimisch fühlen wir uns schon.

Irgendwie müssen wir nach Lovran kommen, dann ist alles einfach. Von dort fährt alle halbe Stunde der Stadtbus nach Rijeka. Und weiter nach Krk werden wir schon irgendwie kommen. In Rijeka leben 130.000 Menschen, da wird es wohl einen Busbahnhof geben, der die Sonnenhungrigen in die Urlaubsgebiete der Region bringt.

Die ersten zehn Kilometer sind allerdings eine Herausforderung. Überlandbusse scheint es kaum zu geben. Kein Fahrplan in den Bushäuschen, die befragten Anwohner zucken mit den Schultern. Die Verkäuferin in Suzis Market fummelt angestrengt auf ihrem Smartphone herum.

„Um 6:00 Uhr morgens fährt wohl ein Bus“, erfahren wir. „Und dann wieder um 12 Uhr“, fährt sie stirnrunzelnd fort. „Vielleicht“, schiebt sie leise nach.

Halb elf stehen wir an der Bushaltestelle. Wir wollen trampen. Vielleicht hält ja einer und nimmt uns mit bis nach Lovran und wenn nicht, dann kommt um zwölf der Bus. Vielleicht!

„Die ersten drei Autos halten nie, da braucht man gar nicht die Hand raus halten“, klugscheißert der weitgereiste Tramp an meiner Seite. OK. Das vierte hält auch nicht, das fünfte auch nicht. Auch das zehnte nicht.

„Da, jetzt kommt wieder eins“, rufe ich. Springe vom Bürgersteig auf, klopfe mir die Hose ab, zupfe mein Nicki in Form, setze mein Allervertrauenswürdiglächelgesicht auf und sende die besten Energien in den schwarzen SUV mit Dresdner Kennzeichen. Mann, das muss doch klappen, das sind doch Ossis. Die standen doch auch in ihrer Jugend in Bulgarien mit 15 anderen an der Straße und haben den Daumen raus gehalten. Wird er langsamer? Setzt den Blinker? Es wird klappen. Nein, es klappt nicht. Die fahren an uns vorbei, winken auch noch blöde und die Karre ist halb leer. Mein Lächeln ist eingefroren. Wahrscheinlich standen diese Mistfinken in ihrer Jugend am 1. Mai Fähnchen schwingend und Kampflieder schmetternd im Blauhemd vor den Tribünen der alten Genossen. Ein böses Schimpfwort mit A geht mir durch den Kopf und in meiner Hosentasche formt sich der Stinkefinger. Es ist wirklich zum Davonlaufen. Lauter halb besetzte Autos mit vorrangig bayerischen Kennzeichen (da sind gerade Ferien) rollen an uns vorbei. Die tun so, als wären wir Luft, starren einfach gerade aus. Was issn hier los? Sehen wir so heruntergekommen aus?

„Wir müssen alle beschimpfen, die an uns vorbei fahren und nicht anhalten“, schlägt Robert als therapeutische Maßnahme vor. Er hat noch mehr Ideen, will auf die Straße springen und mit Gewalt ein Auto zum Stehen bringen, will rufen „meine Frau entbindet, schnell, wir müssen in die Klinik“. Ich lache mich scheckig.

Nach einer halben Stunde hält ein heller VW-Bus mit Berliner Kennzeichen. Eine überaus freundliche, junge Frau bittet uns herein. Hinten ist es ein bisschen eng, da liegt ein zusammensteckbares Kajak, ihr Bettzeug und allerhand Krams, aber es wird schon gehen. Sie kommt von der Insel Cres, hat dort eine Woche Urlaub gemacht. Jetzt fährt sie nach Hause. Wir könnten auch noch ein bisschen weiter mitfahren, bis Opatija, dort will sie einen Kaffee trinken und noch ein letztes mal Baden gehen. Die halbe Stunde Fahrt vergeht wie im Flug. Sie ist Tänzerin, steht nun aber nicht mehr auf der Bühne. Erzählt uns von Klein Jasedow im Lassaner Winkel (meine Güte, das ist ja in Mecklenburg, wie weit das weg ist) von einer Musikerkommune, in der sie Workshops gibt. Wir erzählen ihr von unserem Woher und Wohin. Und von dem ganzen Drumherum. In Opatija trennen sich unsere Wege. Vorübergehend, irgendwie bin ich mir da sicher. Sie bedankt sich bei uns, dass wir bei ihr eingestiegen sind. Sie macht gerne alleine Urlaub, aber just vor einer halben Stunde hat sie sich Gesellschaft gewünscht und ein schönes Gespräch. Sie freut sich, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist und wir freuen uns auch.

Der Rest ist, wie erwartet, einfach. Der Stadtbus bringt uns ins Zentrum der drittgrößten Stadt Kroatiens. Die Stadt war ganz früher ein Seeräubernest und gehörte dann, mit Ausnahme der üblichen Napoleon-Episode, Jahrhunderte zum Habsburgerreich. Wie fast all die Gegenden, welche wir nach der Überquerung des Wiesenthalerpasses im Erzgebirge durchwandert haben. Gewohnt multikulturell und vielsprachig hatte die Stadt gleich drei Namen: Rijeka sagten die Kroaten, Fiume nannten die Italiener und Ungarn ihre Stadt und für die deutschsprachige Bevölkerung war sie Sankt Veith am Pflaum. Dieses „am Pflaum“ gefällt mir fast am Besten.

Als wir gegen drei im klimatisierten Reisebus über eine eindrucksvolle Brücke auf das steinige, karge Krk rauschen, regnet es und hinter uns, in den rabenschwarz von Wolken verhangenen Bergen von Gorski Kotar, zucken die Blitze. Ich bin schwer begeistert. Mehr Behaglichkeit gibt es nicht.