Von Grožnjan nach
Motovun
Heute ist ein schwieriger Tag. Wir wandern über den schönsten Abschnitt des Parenzano. Der Weg führt uns durch Olivenhaine, schattige Wälder. Alte Bahnhöfe säumen den Weg, es geht durch Tunnel und über beeindruckende Viadukte. Ich bin irgendwie schwächlich, latent ängstlich, fühle mich nicht wohl in meiner Haut.
Ich denke laut nach über die „Frau in den Wechseljahren im Kapitalismus“. Ich glaube, ich werde ein Buch darüber schreiben oder zumindest ein Essay. Robert hört geduldig zu. Setzt einen Punkt hinter meine lange, ausführliche Rede mit den Worten: „Huhni, ich glaube, wir haben unsere Tage.“
Es ist tröstlich, es hilft nichts, wir müssen weiter.
Der Himmel ist leicht bedeckt, es ist nicht zu warm, eine frische Brise weht.
Die Bora ist es sicher nicht. Der kalte und böige Fallwind ist einer der stärksten der Welt (PS: kommt in jedem Kreuzworträtsel vor: Adrianischer Fallwind mit vier Buchstaben). Einzelne Böen erreichen eine Spitzengeschwindigkeit von 250 Kilometern pro Stunde. Sie, die Bora hat hier mal ein Bähnchen samt Lokomotive aus dem Gleis geweht.
Gegen Mittag sind wir im Tal der Mirna angelangt. Zu unserer Rechten erstreckt sich der periodisch überschwemmte Eichenwald von Motovun. Eine der bekanntesten Fundstellen der begehrten Weißen Trüffel in Istrien. Lateinischer Name: Tuber magnatum Pico. Alles dreht sich hier um diese Spezialität. Eine äußerst exklusive Angelegenheit. Mal sehen, ob wir uns hinreißen lassen, sie zu probieren. Oder wir suchen selber Trüffel.
„Robert, ich bin der Pilzsammler und Du das Trüffelschwein. Ich habe da vollstes Vertrauen in Dich.“
Es bleibt beim heiteren Geplänkel, nicht jede Idee muss in die Tat umgesetzt werden.
In Livade trinken wir einen Kaffee, ziehen weiter, biegen nach wenigen Metern rechts ab. Und da liegt sie vor uns, ach, was sage ich… über uns! 277 Meter über dem Meer, auf einem isolierten Hügel thront erhaben die alte venezianische Stadt Motovun. Zur Gänze erbaut im 13. Jahrhundert. Ergänzt durch einen äußeren Mauerring im 16. Jahrhundert, darunter entstand eine Vorstadt. Nur hoch müssen wir noch.
Unsere Ferienwohnung ist ein Traum. Geschmackvoll schlicht eingerichtet in einem mittelalterlichen Gebäude mit Blick über die istrische Hügellandschaft. Eine perfekt eingerichtete Küche, heute könnten wir endlich mal wieder etwas kochen. Nicht immer nur Weißbrot, Weißbrot, Weißbrot. Seit Tagen essen wir nichts anderes. In der alten Stadt gibt es keinen Laden. Nur Trüffelläden und Weinläden und Souvenierläden. Also den Berg wieder runter. Da, wo auch die Touristenbusse parken. Da habe ich einen „Market“ gesehen, beim Hinaufsteigen. Unser grünes Einkaufsbeutelchen bleibt leider leer. Der Weg war umsonst. Heute ist Staatsfeiertag in Kroatien. Am 30. Mai 1990 deklarierte das Parlament der Republik Kroatien die Souveränität und Selbstständigkeit des Landes. Mit diesem Akt begann die Loslösung vom jugoslawischen Zentralstaat. Und deshalb sind die Läden nun zu. Wir lassen uns nicht verdrießen und stapfen den Weg wieder hinauf. Kaufen unterwegs Wein in einer Plastikflasche von einem regionalen Weinhändler und gehen in ein Restaurant. Das Essen ist gut, der Blick von der Terrasse hervorragend. Es geht uns gut, obwohl wir unsere Tage haben.