57. Etappe

Von Isola nach Triban

Die erste Nacht im Zelt verlief besser als gedacht. Wir haben hervorragend geschlafen, nicht gefroren und weich gelegen, in unserem winzig kleinen Zuhause. Gerade zwei Isomatten passen hinein, die Rucksäcke bleiben vor der Haustüre stehen. Schnell hatten wir alles aufgebaut und uns häuslich eingerichtet. Schnell war auch heute morgen wieder alles verstaut. Jeder Handgriff saß, als hätten wir nie etwas anderes gemacht. Camping ist eine neue Übernachtungsoption, wenn auch nur an regenfreien Tagen.

Weiter geht es auf dem „Parenzana“. Dieser Weg war einst eine schmalspurige Eisenbahnstrecke, die 33 Orte Istriens von Triest bis Poreč verband. 1902 fuhr, trotz zahlreicher Probleme und Aufschübe, der erste Zug von Buje nach Triest und im Dezember des gleichen Jahres auch nach Poreč. Die Bahn brachte Leben in die Ortschaften, die sie verband. Auf dem 123 Kilometer langen Weg schnaufte und knirschte der kleine Zug langsam durch die hügeligen, landschaftlich spannenden Karstgebiete und transportierte neben den Fahrgästen auch Salz aus den Salzgärten in Piran und Sečovlje, Olivenöl aus der Umgebung von Buje und Motovun, Obst, Gemüse und istrische Produkte wie Holz, Kalkstein, Mehl und Wein.

Mitunter fuhr sie so langsam, dass Passagiere ausstiegen und eine Weile neben her spazierten.

Bereits 1935 wurde der Betrieb wieder eingestellt. Warum das nach kaum 30 Jahren Betriebszeit der Fall war, haben wir noch nicht rausbekommen, zumal es sich um ein aufwendiges und teures Projekt handelte. Die Bahn führt durch bergiges Gelände. Neun Tunnel und 17 Viadukte mussten gebaut werden.

Im Jahr 2002 erfand man die Strecke neu. Als aufwendig gefördertes EU-Projekt entstand der „Weg der Gesundheit und Freundschaft“ auf dem ehemaligen Gleisbett. Tunnel wurden freigeräumt, abgestützt und beleuchtet, die Brücken bekamen neue Geländer, Rastplätze und Informationstafeln entstanden. Ein „Dreiländerprojekt“, führt der Weg doch durch Italien, Slowenien und Kroatien.

Früher transportierte das Bähnchen Waren und Güter, heute transportiert die Strecke Fahrradtouristen in das Herz Istriens und leistet so wieder einen Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt in der Region.

Wir laufen durch Kirschplantagen und entlang der Salinen von Sečovlje. Wir überqueren die kroatische Grenze und erklimmen die Anhöhe von Plovanija. Da ein Cappuccino, dort eine Orangina. Im Vorbeigehen kaufen wir am Wegesrand eine Tüte Kirschen. Die ersten in diesem Jahr. Alles fühlt sich leicht an. Irgendwie wie Urlaub. Wir nehmen weiß Gott nicht jede Kehre der alten Eisenbahnstrecke. Finden Abkürzungen. Zurück auf dem Parenzana hören wir es hinter uns schnaufen. Wir treten zur Seite. Ein älteres Pärchen strampelt an uns vorbei. Der Schotter knirscht unter den Rädern ihrer in die Jahre gekommenen Mountainbikes. Packtaschen haben sie hinten drauf.

„Robert, das sind doch die Italiener von vorhin“, rufe ich. Der Angesprochene sieht mich ratlos an. „Na die, die wir vor einer Stunde in Sečovlje getroffen haben. Die haben auch Kirschen gekauft. Mensch Robert, dank unserer genialen Abkürzung waren wir zu Fuß genau so schnell wie die mit dem Fahrrad.“ Ich bin restlos begeistert von uns.

Unser Ziel, der Campingplatz in Buje, entpuppt sich als Reinfall. 170 Euro kostet die Parzelle pro Nacht. Das ist ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass darauf noch ein privater Whirlpool liegt und Wohnmobile mit zwölf Metern Länge und mehr darauf Platz finden. Außerdem ist der Eintritt in den Wellnessbereich im Preis inklusive. Die haben doch nicht alle Latten am Zaun. Können sie ja gerne machen, aber nicht mit uns, bitte sehr. Bei einem kleinen Glas Weißwein in der Trattoria an der Hauptstraße von Buje schnurbeln wir um. Suchen eine Alternative.

„So ein kleines Gläschen, Robert, das ist mir zu wenig. Es schmeckt auch so köstlich und erfrischend. Ich muss mir noch eins bestellen. Findest Du das unverschämt von mir? Wir haben gar nicht gefragt, was das kostet.“ Am Ende war es überhaupt nicht teuer. (Ich, der Korrekturleser, war nicht begeistert. Und ich sach noch: Lass es sein, bestelle nicht …! Aber nein, es gab kein Halten.) Zurück in der prallen Sonne bereue ich, dass ich mich nicht beherrschen konnte. Blitzartig steigt mir der Wein zu Kopf und mit weichen Knien spaziere ich überaus heiter und kichernd über ein kroatisches Landsträßchen. Noch drei Kilometer bis zu „Eco Geckos Minikamp“ in Triban. Das kann nur gut werden.